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Agroforstwirtschaft

  1. Was ist Agroforstwirtschaft?
  2. Hintergrund
  3. Verbreitung
  4. Varianten
  5. Umweltleistungen
  6. Beispiele
  7. Infos

"Wir Landwirte sind es doch, die all das, was wir benötigen, liefern können!

Wir merken alle, das sich etwas ändern muss. Um nachhaltigen Wandel zu initiieren, sollten wir uns daher ehrlich machen und die richtigen Fragen stellen:

  • Wie ist die Situation wirklich auf deutschen Äckern?
  • Welche Herausforderungen und Chancen haben wir?
  • Wo wollen wir hin?
  • Was muss getan werden, damit wir langfristig bessere Profitabilität gewährleisten können?
  • Wie können wir den Nachwuchs locken?
  • Wie gelingt es, Betriebe zu erhalten?"

Benedikt Bösel

NEBENERWERBSZWEIGE
Waldweide als eine mögliche Form der Agroforstwirtschaft
©Foto: Dr. G. Strobel

Was ist Agroforstwirtschaft?

Agroforstwirtschaft bezeichnet eine multifunktionale Landbewirtschaftungsform (Vergleiche: "Multifunktionale Waldwirtschaft"), die drei ansonsten getrennte Bewirtschaftungsformen miteinander vereinigt: Ackerbau, Waldwirtschaft und Tierhaltung. Dabei werden die vielfältigen Wechselwirkungen genutzt.

Agroforstwirtschaft
hier: Kombination von Bäumen und Getreideanbau
©Quelle: Wikipedia/

Der waldwirtschaftliche Teil muss nicht zwingend (nur) aus Waldbäumen bestehen, sondern kann auch Obstbäumen wie Apfel, Birne, Kirsche, Zwetschge, Pfirsich oder Walnuß beteiligen. Hierdurch wird nicht nur Holz produziert, sondern auch Früchte.

Die ackerbaulich bewirtschafteten Flächen profitieren von den Waldanteilen, da Bäume den Boden beschatten und so vor Austrockung und Erosion schützen; zudem wirken sie als Wasserpumpe aus tieferen Bodenschichten und fördern den Humusaufbau durch ihr Laub.

Wenn gleichzeitig Tiere (Hühner, Rinder) auf den Waldpartien und Grünstreifen weiden, wird mit der Waldweide vielfältiger Zusatznutzen generiert; beispielsweise gesundes Fleisch oder Eier. Bienen und andere Insekten finden auf den naturnahen Flächen reichlich Lebensraum und Nahrung und wirken ihrerseits als Bestäuber der Nutzpflanzen.

Hintergrund

Auch die Landwirtschaft ist von den Auswirkungen des Klimawandels zunehmend betroffen. Immer häufigere Dürreperioden und Witterungsextreme wirken sich negativ auf Ackerbau und Grünlandwirtschaft aus.

Agroforstsysteme setzen auf Risikoverteilung und sind mit den Folgen des Klimawandels besser vereinbar. Sie sind deutlich klimaresilienter als Reinkulturen (siehe Infos).

Ziele sind:

  • das Mikroklima zu verbessern (geringere Temperaturextreme durch partielle Beschattung),
  • die Windgeschwindigkeiten zu verringern und hierdurch die
    • Bodenerosion zu vermeiden und
    • die Wasserverdunstung zu verringern
  • die natürliche Vielfalt der Lebensbedingungen für Tiere, Pflanzen, Pilze und Mikroorganismen zu fördern.
  • eine Kreislaufwirtschaft - unterstützt durch Mulch, Kompost und natürliche Bodendüngung bei Tierhaltung - zu fördern; verbunden mit Humusaufbau im Boden und damit einer langfristigen biologischen, strukturellen und hydrologischen Bodenverbesserung.
  • die Vermeidung von Monokulturen und die Förderung von biologischen Antagonisten (und damit auf kostspielige künstliche Einträge wie Kunstdünger und Pestizide zu verzichten, da sich diese nachteilig auf die aufzubauenden Ökosystem auswirken).
  • Erträge langfristig zu stabilisieren oder zu steigern.

Zur Klarstellung: Das "ideale und universell anwendbare Agroforst-Konzept" gibt es nicht und kann es auch nicht geben, da die Ausgangsbedingungen (Böden, Wasserhaushalt, Klima, Vorbelastung, ...) sehr unterschiedlich sind. Die Idee Agroforstwirtschaft stützt sich daher auf erste Beispiele und Versuche. Je breiter das Verständnis und die Akzeptanz dieser Zielsetzungen sind, desto rascher werden Fortschritte erkennbar.

Verbreitung

Agroforstsysteme sind in unterschiedlichen Ausprägungen weltweit verbreitet. In Deutschland hingegen stellt sie momentan noch eine Nische der landwirtschaftlichen Nutzung dar.

Die Vielfalt der Systeme hinsichtlich ihrer Gestaltung, ihrer Artenzusammensetzung und ihrer Bewirtschaftung ist groß. Sie reicht vom Wanderfeldbau (Shifting Cultivation) und "Waldgarten-Systemen (Homegarden), die insbesondere in den Tropen und Subtropen vorkommen, von Aqua-Kulturen in Mangrovenwäldern über Gewässerschutzstreifen und Windschutzhecken-Systemen in Nord-Amerika und Kanada bis hin zu Knicks (Netz dichter Heckenreihen)und Alley-Corpping-Systemen (parallel ausgerichteten Gehölz- oder Baumreihen auf Ackerland und den Anbau konventioneller Ackerkulturen auf den Feldstreifen dazwischen), die insbesondere in Mitteleuropa ihren Nutzungsschwerpunkt haben.

(Quellen: agroforst-info.de/arten und agrarraum.info/lexikon)

Kleinteilige Agroforstwirtschaft
©Foto: Dr. G. Strobel

Varianten

Bekanntes Beispiel der Agroforstwirtschaft ist die im Schwäbischen Wald populäre Streuobstwiese: Hier wird gesundes vielfältiges Obst produziert, bei dem es wegen praktisch fehlendem Pestizideinsatz keine Probleme mit der Bestäubung durch Bienen und andere Insekten gibt. Zwischen den Obstbäumen wächst gutes Viehfutter und wenn dann hier zweitweise Hühner oder Schafe weiden, ist dieses eine gelungenes Beispiel für Agroforstwirtschaft.

Ein anderes Beispiel ist die Waldweide, die bereits im Mittelalter intensiv praktiziert worden ist. Man lässt Vieh im Wald weiden und erzielt hierdurch einen Zusatznutzen zur Holzproduktion.

Dass "Agroforstwirtschaft" ein Sammelbegriff ist, unter dem sich viele interessante Ansätze zur nachhaltigen Bodenbewirtschaftung verbergen, zeigt die beispielhafte Auflistung unter "Beispiele".

Ein interessanter neuer Ansatz zur Kombination von Ökologie und Ökonomie ist der der Agri-PV-Anlagen. Hier wird Stromerzeugung über Photovoltaik mit landwirschaftlicher Produktion so in Einklang gebracht, dass die Pflanzen durch die partielle Beschattung und damit bessere Wasserversorgung profitieren können. Gleichzeitig wird auf derselben Fläche Strom produziert. Ebenso gibt es erste Versuche (2024), auch Forstpflanzen temporär unter PV-Anlagen großzuziehen. All diese Ansätze sind allerdings noch im Versuchsstadium.

Umweltleistungen

Die Agroforstwirtschaft kann zum wichtigen Bestandteil regionaler Anpassungsstrategien der Landwirtschaft an den Klimawandel werden. Angesichts der Energiewende zu erneuerbaren Energien ist das Klimaschutzpotenzials von Agroforstgehölzen von großer Bedeutung.

Durch Agroforst-Bewirtschaftung entstehen auf Äckern unterschiedliche Biotope. Die Baumreihen mit dichtem Unterbewuchs bieten kleinteilige Habitate für eine Vielzahl von Tieren. Sie bauen Humus auf, bieten Wind- und Bodenerosionsschutz, speichern CO2, binden Feuchtigkeit. So kühlen sie auch die umliegenden Landschaften. Das Gelände wird insgesamt wesentlich strukturreicher.

Ebenso trägt diese Form der Landnutzung zum Boden- und Gewässerschutz bei. Agroforstsysteme sind Maßnahmen zur Förderung der Biodiversität in Agrarlandschaften bei und daher in entsprechende Strategien einzubinden.

Im Hinblick auf den hohen Flächenverbrauch und der damit einhergehenden Verknappung der »Ressource Land« wird die Agroforstwirtschaft eine wichtige Komponente von Boden-Mehrfach-Nutzungskonzepten einnehmen.